Ökologischer Ausbau der Kahl unterhalb der Mühlwegbrücke in Alzenau
Lageplan der Maßnahme
Der Anlass
Die Kahl wurde Anfang des 20. Jahrhunderts im Bereich zwischen der Mühlwegbrücke in Alzenau und der Bundesautobahn A45 Aschaffenburg-Gießen durch sogenannte Schardeiche beidseitig eingedeicht. Seitdem verlief die Kahl in diesem Abschnitt stark gestreckt, eingeengt und strukturarm. Die vorhandenen Sohlstufen hatten eine aufstauende Wirkung und behinderten die Durchgängigkeit für Fische und andere Wasserlebewesen. Das heißt, sowohl die Gewässerdynamik als auch der ökologische Zustand waren in diesem Gewässerabschnitt unbefriedigend. Durch die vorhandene starke Ufersicherung war eine eigenständige Entwicklung zu einem naturnäheren Zustand nicht möglich.
Zusätzlich waren die ca. 80 Jahre alten Deiche nicht nach den anerkannten Regeln der Technik gebaut. Sie schützten nur bis zu einem Hochwasser, das statistisch alle 2 - 5 Jahre auftreten kann. In der Vergangenheit kam es bei Hochwasser bereits mehrfach zum Bruch der Deiche.
Vorhandene Kahl mit Deichen im Bereich oberhalb der Autobahn vor der Umgestaltung
Die Planung
Hierfür wurden die Schardeiche größtenteils zurückgebaut und durch breite Vorländer ersetzt. Die Kahl erhielt einen mäandrierenden Verlauf mit strukturreichem Gewässerbett, so dass ein Wechsel von steilen und flachen Uferböschungen, von breiten und schmaleren Abschnitten, sowie von langsam und schneller fließenden Bereichen geschaffen wurde. Insgesamt wurden neun neue Gewässerschleifen und zwei bogenartige Aufweitungen angelegt. Dazwischen kehrt die Kahl in das bestehende Flussbett zurück, welches in vielen Bereichen aufgeweitet und am Innenufer abgeflacht wurde. Von den neun „Altarmen“ wurden vier verfüllt, fünf blieben (z.T. angepasst) erhalten. So entstanden fünf Inseln, auf denen die Tier- und Pflanzenwelt eine ungestörte Rückzugsmöglichkeit findet. Bei der Planung des neuen Verlaufs wurde darauf geachtet, dass der vorhandene Baumbestand überwiegend erhalten bleibt.
Auf Böschungssicherung wurde weitestgehend verzichtet. Wo Sicherung notwendig ist (an bestimmten Prallufern, Verzweigungen, zum Schutz von Bauminseln o.ä.), wurden die ausgebauten Wasserbausteine wiederverwendet. Natürliche Sukzession wird bewusst zugelassen. Wo möglich, erhielten auch Prallufer (nur) eine „schlafende Sicherung“ (zurückversetzte / verdeckte / prophylaktische Sicherung), damit auch hier das Gewässer sich eigendynamisch entwickeln kann.
Die zum Teil stark ausgekolkten Sohlstufen wurden zurückgebaut oder in naturnahe Sohlengleiten umgewandelt. Damit ist die Durchgängigkeit wieder hergestellt und die Gewässerstruktur aufgelockert. Zur Auflockerung und Verbesserung des Strömungsverhaltens wurden stellenweise auch Störsteine und Sporne eingebracht. Weiterhin wurden Baumwurzeln als Fischunterstand in den Uferbereichen eingebaut. Auch Kiesbänke zur Verbesserung der Fischpopulationen können sich entwickeln. Zwei Steilufer als Brutwände für den Eisvogel wurden angelegt.
Bei der Planung des ökologischen Ausbaus wurde berücksichtigt, dass keine negative Veränderung der derzeitigen Ausuferungshäufigkeit für angrenzende Flächen entsteht. D.h. die Wassermenge, die bisher bordvoll zwischen den Deichen abfloss, wird nach dem Ausbau im Flussbett und in der Aue, dem Vorland fließen. Auch die vorhandenen Retentionsräume blieben erhalten.
An den fünf bestehenden Brückenbauwerken waren keine Umbaumaßnahmen erforderlich. Gleichermaßen verhält es sich mit den Kanal- und Kabeldükern, welche die Kahl im Ausbaubereich queren.
Für den ökologischen Ausbau ist ein Grunderwerb von 6,3 ha notwendig. Diese Flächen werden im Vorfeld von der Stadt Alzenau erworben und nach Abschluss der Maßnahme in das Eigentum des Freistaates Bayern überführt.
Das Vorhaben wurde am 27.11.2012 planfestgestellt.
Beginn der Ausbauarbeiten: Frühjahr 2013.
Fertigstellung März 2014.
Die Ausführung
Mit dem Bau wurde Ende April 2013 begonnen. Bis Ende November 2013 wurden ca. 45.000 m³ Boden bewegt. Circa 2.000 m Gewässerstrecken wurden neu hergestellt bzw. naturnah umgestaltet.

vorher

im Bau

vorher

im Bau

vorher

im Bau

Neues strukturreicheres Gewässerbett

Schnelle Besiedelung durch Jungfische

Uferbereiche mit Sukzession

Naturnahe Strukturen
Auch an Tiere die nicht im direkten Zusammenhang mit dem Wasser leben wird gedacht. Eine lockere Steinschüttung dient künftig der streng geschützten Zauneidechse als Unterschlupf. Kurz nach dem Bau des neuen "Echsen-Hotels" gelang einem unserer Mitarbeiter ein Schnappschuss der neuen Bewohner und damit auch der Beweis, dass es funktioniert.
Bau des "Eidechsen-Hotels"
Ein neuer Bewohner
Es folgt teilweise eine Einsaat der Flächen. Um die 1.100 Jungpflanzen wurden im Randbereich der Baumaßnahme gepflanzt. Am Gewässer selbst erfolgt keine Pflanzung. Hier entwickelt sich durch den natürlichen Anflug von Samen ein standortgerechter Uferbewuchs. Einzelne Bereiche müssen jedoch durch regelmäßige Mäharbeiten offen gehalten werden.
Das ökologisch aufgewertete Gewässer
Das ökologisch aufgewertete Gewässer
Daten
Eckdaten | |
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Ausbauzeitraum | 2013 - 2014 |
Ausbaulänge | ca. 2,2 km |
Gewässerverlängerung | 140 m (im Hauptflussbett) |
Neue Gewässerschleifen | 9 Stück |
Erhaltung "Altarme" / Herstellung Inseln | 5 Stück |
Herstellung der Gewässerdurchgängigkeiten | 6 Stück |
Deichrückbau | 2,1 km |
Länge der Uferrenaturierung | ca. 4,3 km |
Schaffung naturnaher Flächen | 15 ha |
Grunderwerb | 6,3 ha |
Projektkosten | |
Baukosten | ca. 1,1 Mio. € |
Grunderwerbskosten | ca. 425.000 € |
Gesamtkosten | ca. 1,5 Mio. € |
EU-Kofinanzierung | 50% der Baukosten |