Hochwasserschutz Würzburg, umgesetzte Maßnahmen
Die Situation
In seiner 1300 jährigen Geschichte entwickelte sich Würzburg mit dem Main. Im Laufe dieser Zeit entstanden bekannte Bauwerke wie die Alte Mainbrücke, der Alte Kranen oder das lange Streichwehr mit historischer Schleuse, die deutlich machen, dass Würzburg schon immer mit dem Main gelebt hat.
Diese direkt am bzw. im Main gelegenen Bauwerke machen zusammen mit den über dem Main thronenden Festung und Käppele den besonderen Reiz der Mainansicht Würzburgs aus.
Lageplan
In Würzburg wird seit Jahrzehnten am Hochwasserschutz für die Altstadt gearbeitet. Bereits kurz nach dem 2. Weltkrieg wurde unter dem Eindruck des Hochwassers von 1948 der Wiederaufbau der völlig zerstörten Innenstadt auch dazu genutzt, den Hochwasserschutz städtebaulich zu integrieren. Aus dieser Zeit stammt der den Würzburgern als „Stadtbalkon“ bekannte Abschnitt des Hochwasserschutzes, der von der Reibeltgasse bis weit in den Stadtteil Sanderau reicht.
Dann 1971, wiederum unter dem Eindruck eines Hochwassers (1970) beantragte die Stadt den Bau des Hochwasserschutzes für die Altstadt beim Freistaat Bayern. Die Planungen waren aus städtebaulichen Gründen schwierig. Einerseits sollte der Main zuverlässig aus der Stadt gehalten werden, andererseits kam es nicht in Frage, die Stadt mainseitig hinter Mauern zu verstecken. Ein den städtebaulichen und denkmalpflegerischen Ansprüchen sowie den Sicherheitsanforderungen genügender Kompromiss zeichnete sich erst mit der Entwicklung von sicheren und anwenderfreundlichen mobilen Systemen ab.
Anders als es heute üblich ist, wurde vor rund 40 Jahren die Schutzhöhe nicht für ein hundertjährliches Hochwasserereignis bemessen, sondern unter Berücksichtigung der besonderen städtebaulichen Situation sowie des Anspruches an Hochwassersicherheit zwischen den Partnern ausgehandelt.
Der Einsatz von mobilen Systemen ist in Würzburg möglich, weil die Stadt Würzburg mit dem Entwässerungsbetrieb einen logistisch starken Eigenbetrieb hat, der sicher in der Lage ist den Aufbau des mobilen Systems in der zur Verfügung stehenden Zeit, auch unter widrigen Wetterbedingungen, zu gewährleisten. Zudem reagiert der Abfluss des Mains nicht auf kurzfristige Starkregen, sondern auf lang anhaltende Niederschlagsereignisse. In Zusammenarbeit mit dem Hochwassernachrichtendienst des Bayerischen Landesamtes für Umwelt ist somit eine ausreichend lange Vorwarnzeit vorhanden.
In Würzburg ist es grundsätzlich so, dass ein festes Schutzsystem die Stadt schützt. In den Bereichen in denen ein fester Schutz bis zur festgelegten Schutzhöhe nicht möglich ist, wird der feste Schutz mit dem mobilen System ergänzt. Grundsätzlich besteht in Würzburg bis zur Höhe eines 50-jährlichen Ereignisses der Hochwasserschutz aus Mauern, der gegebenenfalls aus städtebaulichen Gründen mit einem mobilen System ergänzt wird. Davon ausgenommen sind lediglich Straßen und Durchgänge.
Deutscher Städtebaupreis 2012
Für die Planung und Realisierung des Projektes "Hochwasserschutz und Mainufergestaltung" erhielten die Entwurfsverfasser und die Bauherren eine Auszeichnung im Rahmen des Deutschen Städtebaupreises 2012.
Das Stadtbild von Würzburg, mit einem Teil des neuen Hochwasserschutzes
Das Schutzsystem
Bauabschnitte
Seit 1971 plant und baut die bayerische Wasserwirtschaftsverwaltung am Hochwasserschutz Würzburgs. An den Kosten ist die Stadt beteiligt. Der Hochwasserschutz wurde nicht in einer Linie geplant und gebaut, sondern ist in einzelne Bauabschnitte gegliedert. Durch diese Gliederung konnten Gelegenheiten genutzt werden, die sich aus anderen Vorhaben der Stadt ergaben.
So ist der Hochwasserschutz, optisch kaum wahrnehmbar, sowohl in das Kaufhaus Wöhrl als auch in die alte Zollstation (ehemals Haus des Frankenweins) mit Tiefgarage am Alten Kranen integriert.
Für den Bauabschnitt zwischen Zollstation und Friedensbrücke wurde ein Architekturwettbewerb durchgeführt. In diesem Bereich gelang es das Binnengelände soweit anzuheben, dass die notwendige Mauerhöhe nicht als störend empfunden wird. Dies gelang auch deshalb, weil die Straßenbahntrasse verlegt und modernisiert werden konnte.
Für den Abschnitt zwischen Kaufhaus Wöhrl und dem Hotel zum Walfisch wurde ebenfalls ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben. In diesem städtebaulich besonders sensiblen Bereich nutzte die Stadt die Gelegenheit zur Mainvorland Umgestaltung. Insofern konnte es hier besonders gut gelingen, den Hochwasserschutz städtebaulich zu integrieren. Diese Leistung wurde auch von unabhängiger Stelle anerkannt. Der Bauentwurf von Klinkott, Karlsruhe, fand „Lobende Erwähnung“ im Rahmen der Bewertung Guter Bauten Franken 2012 des Bundes Deutscher Architekten.
Der erste Bauabschnitt ist jedoch kaum sichtbar. Mit dem Bau des Viehhofbeckens begannen die Hochwasserschutzmaßnahmen. In unmittelbarer Nähe der Pleichach-Mündung wurde ein großes Rückhaltebecken zur Sicherung der Binnenentwässerung gebaut. Dieses Becken hat zusammen mit den dort einzusetzenden Pumpen die Aufgabe, das binnenseitig anfallende Wasser aus der Stadt zu transportieren. Denn bei Hochwasser werden die Mainauslässe sämtlicher Kanäle, die mit dem Schutzgebiet in Verbindung stehen geschlossen.
Im Jahre 2012/2013 wird am letzten Bauabschnitt oberhalb der Alten Mainbrücke gebaut. Der dortige „Stadtbalkon“ war in die Jahre gekommen und statisch nicht in der Lage die bei seltenerem Hochwasser auftretenden Kräfte sicher abzuleiten. Städtebaulich ist dieser Bauabschnitt wesentlich einfacher als alle vorherigen, da die vorhandene Mauer nur saniert wird, aber ansonsten optisch unverändert bleibt.
Ausblick
Der Jahrzehnte lange Bau des Hochwasserschutzes für die Würzburger Altstadt geht langsam dem Ende entgegen. Der letzte Abschnitt, der direkt vor Hochwasser schützen wird, ist der Bereich zwischen Karmelitenstraße und alter Zollstation, unmittelbar unterhalb des Streichwehres. Hier soll der Hochwasserschutz in die vorhandene Bausubstanz integriert werden. Dies ist unter anderem wegen der dort beengten Verhältnisse schwierig.
Eine Halle zur Lagerung des mobilen Systems mit der zum Aufbau notwendigen Ausrüstung soll zudem in den nächsten Jahren gebaut werden.
Nach Fertigstellung wird der Hochwasserschutz Würzburgs mehr als 20 Mio. € gekostet haben, an denen sich die Stadt mit rd. einem Drittel der Kosten beteiligt. Die Sanierung des Stadtbalkons wird zudem durch die EU gefördert.
Daten
- HQ100: 2.000 m3/s
- Vorwarnzeit (ab Pegel Trunstadt): Ca. 36 Stunden.
- Geschütztes Gebiet: 22,5 ha
- Gesamtlänge der Schutzlinie: Ca. 1.250 m, davon
- 730 m: Fester HWS (Mauern, Gebäude)
- 160 m: Weitestgehend fester HWS mit 30 cm Sandsackauflage bei Extrem-HW
- 235 m: Kombinierter HWS (Mauer mit 1 m bis1,5 m hohen mobilen bzw. festen Stützen mit Alu-Dammbalken
- 102 m: Mobiler HWS (Straßen- und Wegdurchlässe)
- 65 Stück HW-Tore und Klappen
- 73 Mobile Stützen
- 1.070 Dammbalken
- 1.700 mobile Einzelteile
- Aufbauzeit für Mobilen HWS: Ca. 24 Stunden
- Binnenentwässerung: Pumpwerk „Viehof“ und 5 Drän-Pumpstationen mit einer Förderleistung von insgesamt 150 l/s.
- Beteiligte beim „Lückenschluss“: 43 beteiligte Firmen, 7 Ingenieurbüros
Die Gesamtkosten für diese Maßnahmen betrugen bisher über sechs Millionen Euro. An diesen Kosten beteiligte sich die Stadt mit einem Drittel. Der Freistaat Bayern wiederum unterstützte die Stadt bei der Aufwertung des Mainvorlandes mit bis zu 2,8 Millionen Euro.